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Im Bereich der Windkraft bezeichnet Verwindung eine gezielte Verdrehung der Rotorblätter entlang ihrer Längsachse, um aerodynamische Effizienz und strukturelle Stabilität zu optimieren. Dieser Prozess spielt eine zentrale Rolle bei der Anpassung der Blätter an variierende Windgeschwindigkeiten und Lastbedingungen, um sowohl die Energieausbeute als auch die Lebensdauer der Anlage zu steigern.

Allgemeine Beschreibung

Verwindung (auch als Blattverwindung oder pitch twist bezeichnet) ist ein konstruktives Merkmal moderner Windkraftrotorblätter, bei dem die geometrische Form des Blattes entlang seiner Spannweite systematisch verändert wird. Diese Anpassung erfolgt durch eine progressive Verdrehung des Blattprofils um seine Längsachse, wobei der Anstellwinkel (Winkel zwischen Profilsehne und Rotationsebene) von der Blattwurzel zur Blattspitze hin abnimmt. Der Zweck dieser Maßnahme liegt in der Kompensation der unterschiedlichen Umfangsgeschwindigkeiten entlang des Blattes: Während die Blattspitze aufgrund des größeren Radius höhere Lineargeschwindigkeiten erreicht, bewegt sich die Wurzel langsamer. Ohne Verwindung würde dies zu ungleichmäßigen aerodynamischen Kräften führen, die sowohl die Effizienz mindern als auch die Materialbelastung erhöhen.

Die aerodynamische Auslegung der Verwindung basiert auf der Blattelementtheorie (Quelle: Hau, Erich: "Wind Turbines – Fundamentals, Technologies, Application, Economics", 2. Aufl., 2013), die das Blatt in infinitesimale Segmente unterteilt und für jedes Segment optimale Anstellwinkel berechnet. Typische Verwindungswinkel liegen zwischen 10° und 20° über die gesamte Blattlänge, wobei moderne Designs oft nichtlineare Verwindungsverläufe nutzen, um Turbulenzen und Lastspitzen zu reduzieren. Neben der aerodynamischen Optimierung trägt die Verwindung auch zur Reduzierung von Schallemissionen bei, da sie die Entstehung von Wirbelschleppen (vortices) an den Blattspitzen minimiert.

Strukturell wird die Verwindung bereits im Herstellungsprozess der Blätter umgesetzt, meist durch schichtweises Ablegen von faserverstärkten Kunststoffen (z. B. Glas- oder Kohlefasern) in vordefinierten Winkeln. Diese Bauweise ermöglicht es, die Verwindung präzise an die berechneten Lastprofile anzupassen. Bei großen Offshore-Anlagen mit Blattlängen von über 80 Metern (Quelle: IEC 61400-1:2019) wird die Verwindung zusätzlich durch aktive Pitch-Systeme ergänzt, die den Anstellwinkel während des Betriebs dynamisch anpassen. Dies ist besonders relevant, um Extremlasten bei Sturm oder plötzlichen Windrichtungsänderungen abzufedern.

Technische Umsetzung

Die technische Realisierung der Verwindung erfordert eine enge Abstimmung zwischen aerodynamischer Simulation, Materialwissenschaft und Fertigungstechnik. In der Entwurfsphase werden CFD-Simulationen (Computational Fluid Dynamics) eingesetzt, um den optimalen Verwindungsverlauf zu ermitteln. Dabei werden Parameter wie der Auftriebsbeiwert (cL), der Widerstandsbeiwert (cD) und die Reynolds-Zahl für jedes Blattelement analysiert. Die Ergebnisse fließen in FEM-Modelle (Finite-Elemente-Methode) ein, um die strukturelle Integrität unter Berücksichtigung von Materialermüdung und Eigenfrequenzen zu gewährleisten.

Bei der Fertigung kommen vor allem zwei Verfahren zum Einsatz: Prepreg-Technologie, bei der vorimprägnierte Fasermatten in verdrehten Schichten in eine Form gelegt und unter Hitze ausgehärtet werden, und das Vakuuminfusionsverfahren, das eine präzisere Kontrolle der Faserausrichtung ermöglicht. Beide Methoden erlauben es, die Verwindung mit Toleranzen von unter *±0,5°** (Quelle: *DNVGL-ST-0376:2015) umzusetzen. Für die Qualitätssicherung werden Laserscanning-Systeme eingesetzt, um die geometrische Genauigkeit der Blätter zu überprüfen. Bei der Montage muss zudem sichergestellt werden, dass die Verwindung symmetrisch über alle drei Blätter eines Rotors verteilt ist, um Unwuchten und Vibrationen zu vermeiden.

Anwendungsbereiche

  • Onshore-Windkraftanlagen: Hier wird die Verwindung primär genutzt, um die Energieausbeute bei niedrigen bis mittleren Windgeschwindigkeiten (typisch 3–12 m/s) zu maximieren. Durch die Anpassung des Anstellwinkels an die lokalen Windverhältnisse lassen sich Jahresenergieerträge um bis zu 5 % steigern.
  • Offshore-Windkraftanlagen: Bei diesen Anlagen steht die Reduzierung von Extremlasten im Vordergrund. Die Verwindung trägt dazu bei, die Ermüdungsbelastung durch turbulente Winde und Wellenkräfte zu verringern, was die Wartungsintervalle verlängert. Zudem ermöglicht sie eine bessere Anpassung an die höheren und konstanteren Windgeschwindigkeiten (oft 10–25 m/s).
  • Kleinwindanlagen: Auch bei Anlagen mit Leistungen unter 100 kW kommt die Verwindung zum Einsatz, allerdings oft in vereinfachter Form. Hier steht die Kostenreduzierung im Vordergrund, weshalb auf aktive Pitch-Systeme verzichtet und stattdessen eine feste Verwindung genutzt wird.
  • Forschungsprojekte: In der experimentellen Windkraftforschung (z. B. Smart Blades, Quelle: Fraunhofer IWES) werden adaptive Verwindungskonzepte erprobt, bei denen Formgedächtnislegierungen oder piezoelektrische Aktoren den Anstellwinkel während des Betriebs lokal anpassen.

Bekannte Beispiele

  • GE Haliade-X 12 MW: Die Rotorblätter dieser Offshore-Turbine (Länge: 107 Meter) nutzen eine nichtlineare Verwindung, um die Lasten bei Sturmbedingungen zu reduzieren. Die Blattspitze ist dabei um bis zu **18°** gegenüber der Wurzel verdreht.
  • Vestas V164-8.0 MW: Diese Anlage setzt auf eine kombinierte Verwindung mit aktiver Pitch-Regelung, um die Schallemissionen unter 104,5 dB (Quelle: Vestas Datenblatt, 2020) zu halten – ein entscheidender Faktor für die Genehmigung von Onshore-Standorten.
  • Enercon E-126: Die Blätter dieser Onshore-Turbine (Leistung: 7,58 MW) weisen eine progressive Verwindung auf, die speziell für Binnenlandstandorte mit hohen Turbulenzgraden optimiert ist.
  • NREL 5-MW-Referenzturbine: Dieses vom National Renewable Energy Laboratory (USA) entwickelte Modell dient als Standard für Forschung und Simulationen. Seine Blätter haben eine Verwindung von **14°**, die als Referenz für neue Designs genutzt wird.

Risiken und Herausforderungen

  • Materialermüdung: Eine zu starke Verwindung kann lokal zu Spannungskonzentrationen führen, insbesondere an den Übergängen zwischen Bereichen mit unterschiedlichen Verdrehwinkeln. Dies erhöht das Risiko von Delamination (Ablösen der Faserschichten) oder Rissbildung.
  • Fertigungskomplexität: Die präzise Umsetzung der Verwindung erfordert hochspezialisierte Produktionsanlagen, was die Herstellungskosten erhöht. Abweichungen von über **±1°** können bereits zu messbaren Effizienzverlusten führen.
  • Aerodynamische Instabilitäten: Bei falscher Auslegung kann die Verwindung zu Flattereffekten (aeroelastische Instabilitäten) führen, die im Extremfall zum Bruch des Blattes führen. Dies wurde beispielsweise bei frühen Prototypen der Multibrid M5000 beobachtet (Quelle: Windpower Monthly, 2006).
  • Wartung und Inspektion: Die Überprüfung der Verwindung im Betrieb ist aufwendig, da sie oft Drohnen mit LiDAR-Sensoren oder manuelle Vermessungen erfordert. Korrosionsschäden oder Erosionen an der Blattvorderkante können die aerodynamische Wirkung der Verwindung beeinträchtigen.
  • Regulatorische Anforderungen: In einigen Ländern (z. B. Deutschland) müssen Windkraftanlagen spezifische Schallgrenzen einhalten. Eine nicht optimale Verwindung kann zu erhöhten Geräuschemissionen führen, was Genehmigungsprozesse verzögert.

Ähnliche Begriffe

  • Pitch-Winkel: Bezeichnet den Anstellwinkel des gesamten Rotorblatts, der durch das Pitch-System aktiv verändert wird. Im Gegensatz zur Verwindung, die eine feste geometrische Eigenschaft ist, handelt es sich hier um eine dynamische Einstellung.
  • Schränkung (Sweep): Eine weitere geometrische Anpassung von Rotorblättern, bei der die Blattspitze nach hinten gebogen wird, um die Lasten zu reduzieren. Schränkung und Verwindung werden oft kombiniert.
  • Blattwinkelverstellung (Pitch-Control): Ein aktives System, das den Anstellwinkel aller Blätter gleichzeitig anpasst, um die Leistung zu regeln. Die Verwindung beeinflusst dabei die Wirksamkeit dieser Regelung.
  • Stall-Regelung: Ein passives Leistungsbegrenzungsverfahren, bei dem die Blätter so designed sind, dass sie bei hohen Windgeschwindigkeiten in einen Strömungsabriss (Stall) geraten. Die Verwindung spielt hier eine Rolle, um den Stall-Effekt gleichmäßig über das Blatt zu verteilen.

Zusammenfassung

Die Verwindung ist ein zentrales Gestaltungselement moderner Windkraftrotorblätter, das durch die gezielte Verdrehung des Blattprofils entlang seiner Längsachse aerodynamische Effizienz und strukturelle Langlebigkeit vereint. Sie kompensiert die unterschiedlichen Umfangsgeschwindigkeiten von Blattwurzel und -spitze, reduziert Turbulenzen und Schallemissionen und trägt maßgeblich zur Steigerung des Jahresenergieertrags bei. Technisch wird die Verwindung durch präzise Fertigungsverfahren wie Prepreg-Technologie oder Vakuuminfusion umgesetzt, wobei Abweichungen von wenigen Grad bereits messbare Auswirkungen auf die Performance haben.

Trotz ihrer Vorteile birgt die Verwindung Herausforderungen wie erhöhte Materialermüdung, Fertigungskomplexität und das Risiko aeroelastischer Instabilitäten. In Kombination mit aktiven Pitch-Systemen und anderen geometrischen Anpassungen (z. B. Schränkung) ermöglicht sie jedoch die Realisierung immer größerer und leistungsfähigerer Windkraftanlagen – sowohl onshore als auch offshore. Aktuelle Forschungsprojekte zielen darauf ab, die Verwindung durch adaptive Materialien noch flexibler zu gestalten, um die Anpassungsfähigkeit an wechselnde Windbedingungen weiter zu verbessern.

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